Das Kulm Hotel- tickt ihr noch richtig?

Jani Leinonen lässt das Gewissen zwitschern: Ticktack Ticktack – kuckuck kuckuck! Am Freitag eröffnete das Kulm Hotel seine Türen für den Sommer. Zehn farbenfrohe Kuckucksuhren schmücken diesen Sommer die Wände und lassen gewaltig staunen. 

Gelb. Blau. IKEA / Grün. Weiss. Starbucks / Beige. Orange. Hermès… Was haben diese Farben und Konzernmarken auf der Verzierung von Schweizer Kuckucksuhren verloren? Und wieso hängen sie im Kulm? 

Stalla-Kulm-Residency
Seit nunmehr einem Jahr kooperieren das Kulm Hotel St. Moritz und die Galerie Stalla Madulain. Das Programm, eine Kunstresidenz, die „Stalla-Kulm-Residency“, hat schon letztes Jahr den Britischen Maler und Karikaturisten John Springs ins Engadin geholt, um sich beim Heuen mit Einheimischen oder beim Wandern im Fex-Tal inspirieren zu lassen. Er malte das grosse gelb-rot-blaue Kulm-Hotel-Portrait, das direkt über der Treppe links hängt. Es wartet immer noch geduldig auf einen Käufer und erfreut solange die Gäste des Kulms. 
Im Frühjahr dann hatte der finnische, gesellschaftshinterfragende Künstler Jani Leinonen die Stalla Madulain mit Kirchenfenster-ähnlichen Werken bespielt und verwandelte diese in eine Kapelle. Nun hängen seine neusten Werke in St. Moritz.

Künstler-Residenz: Konzept
Seit Anfang des Zusammenarbeitens war schon geplant, dass der Finne nicht nur in der Galerie ausstellen würde, sondern auch an der Kunstresidenz teilnehmen sollte. Ziel und Zweck einer Kunstresidenz und besonders die der „Stalla-Kulm-Residency“ ist es, einen Künstler dazu einzuladen, im Engadin zu verweilen, und die Engadiner-Inspiration in das künftige Kunstschaffen einzuflechten. Manche Künstler machen sich Notizen, kritzeln auf einem Sketchbook, Andere produzieren daheim. Wieder andere setzen direkt die Inspiration vor Ort um. Am Ende einer Residenz entstehen Werke, die das Engadin, St. Moritz oder die Schweiz allgemein thematisieren. Man kann also sagen, dass diese Kunstresidenzen ein Katalysator für das Schaffen von Kunstwerken mit dem Engadin als Motiv sind. 

Darüber hinaus haben Gian Tumasch Appenzeller und Chasper Schmidlin, die Galleristen der Stalla Madulain, und Heinz Hunkeler, General Manager vom Kulm Hotel, sich darauf geeinigt, dass die Künstler präzise während der Zwischensaisons im Hotel übernachten würden, so werde keine Logiernacht an eine Pro-bono-Nacht abgetreten, sondern die eh leer stehenden Zimmer noch genutzt. Jani Leinonen amüsiert es: „Es ist irgendwie surreal. Ich war heute der einzige Gast im Hotel. Manche Möbel sind noch abgedeckt. Die Elektrizität funktioniert zwar, wenn ich aber nichts einschalte, laufe ich durch den dunklen Flur.“ Kunstresidenzen nutzen sinnvoll die Zwischensaison.

Kunstresidenzen nutzen sinnvoll die Zwischensaison.

Gian Tumasch Appenzeller lacht herzlich beim gemeinsamen Mittagessen mit dem Künstler: „Hätte man mir gesagt, als ich und mein Cousin vor 5 Jahren mit der Stalla anfingen, dass wir heute einen Finnen beauftragen würden, Kuckucksuhren zu bauen, und diese im Kulm Hotel ausstellen würden… ich hätte es nicht geglaubt!“

Zum Kuckuck mit der Gesellschaftskritik!
2011 bekam Leinonen internationale Medienaufmerksamkeit um eine polemisierende Kunst-Performance: Zu zweit hatten Leinonen und ein Freund die Statue des Ronald McDonald in einem Restaurant in Helsinki geklaut und drohten diese zu köpfen, sollte der McDonald’s-Konzern nicht auf ihre Forderungen eingehen. Ronald wurde medienwirksam enthauptet. Leinonen liebt es, die Grosskonzerne und die Politik an den Pranger zu stellen. 2014 erfand der Künstler eine neue Satire: Er eröffnete im Zentrum von Budapest eine „Hunger King“-Filiale. Die Regierung Ungarns hatte ein Jahr zuvor ein verschärftes Gesetz erlassen, das erlaubte, Obdachlose zu verhaften, wenn sie gegen das Aufenthaltsverbot auf öffentlichen Plätzen verstiessen. Wer bei „Hunger-King“ anstand, konnte sich entscheiden für eine von zwei Schlangen: „Reich“ oder „Arm“. Die einen durften sich Kunst kaufen, die anderen bekamen eine Burger-Box mit Geld darin: dem Gegenwert einer Stunde Mindestlohn.

Schon seit vielen Jahren träumte der Finne, der mit den Markenlogos spielt, davon, eine ganze Wand voller Kuckucksuhren zu bauen. Eine der zehn Kuckucksuhren, die grosse Grünweisse, ist sozusagen die „Mutter-Kuckucksuhr“. Diese schuf er schon vor neun Jahren. Es steht gross „Starbucks“ darauf. „H&M“ bis „IKEA“ schuf er während seiner Residenz im Kulm. Am Auffälligsten ähneln sich die „Hermès-Uhr“ und das wahre Hermès-Geschäft in der Via Veglia von St. Moritz. Ziel war es nicht, Portraits von Geschäften zu schaffen, sondern genau den Schock und das Naserümpfen, das man bei der Betrachtung von eigentlichem Heimat-Handwerk überzogen mit schrillen Konsum-Brands empfindet, herauszufordern. Die schrille Globalisierung schluckt die Heimat. Das Grosse zerstört das Kleine. Und hinterlässt oft eine Leere. Manche Häuser in St. Moritz werden nur ein paar Tage im Jahr bewohnt…

Die Kuckucksuhren sind ab jetzt in der Lobby des Kulm Hotels zu sehen. Eine Vernissage in Anwesenheit des Künstlers findet am 21. Juli statt.

www.janileinonen.com www.stallamadulain.ch www.kulm.com

Jani Leinonen
ist 1978 in Hyvinkää, Finnland geboren und ist als Künstler und politischer Aktivist bekannt. Einschlägig für ihn ist die Verwendung von Markenlogos grosser Konzerne.