Ein Baselitz für Zuoz

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Zuoz als Kunstpilgerort


Als die Engadin Art Talks vor über 10 Jahren in Zuoz Einzug fanden wurde Zuoz auf die Weltkarte der Kunst gesetzt; am letzten Wochenende Januar pilgern jedes Jahr Kunstexperten und Kunstliebhaber aus dem Unterland und der ganzen Welt in die Chesa Cümünela, um gemeinsam aktuelle Kunst-Themen zu diskutieren. 

Zwei hochkarätige Kunstgalerien werten die zeitgenössische Kunstszene von Zuoz das ganze Jahr auf: die Galerie Tschudi und die Galleria Monica de Cardenas. 

Aber schon immer war Zuoz mit seinen wertvollen architektonischen und kunstgeschichlichen Schätzen im Bewusstsein der Kunstliebhaber: Prächtige Hausfassaden mit Jahrhundertalten Sgraffitos erzählen die Geschichte des Dorfes in dem heute noch viele Künstler und Designer wohnen, wie Constant Könz oder in jüngerer Generation Aita Bott. Darüber hinaus machen zahlreiche Kunstwerke im Öffentlichen Raum   Zuoz hinsichtlich Kunst    einmalig.

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Kunst im Öffentlichen Raum in Zuoz


Die Vision spannende zeitgenössische Kunstwerke in den öffentlichen Raum und für jeden zugänglich zu platzieren, hatte Kunstsammler Ruedi Bechtler, selbst Künstler und Mitbesitzer des Hotel Castells angestossen. Mit seinem Projekt «Art Public Plaiv» platzierte er zwischen La Punt- Chamues-ch und S-chanf in die Bergkulisse hinein gewaltige Werke, die meistens beim Vorbeispazierer für Staunen sorgen. In Zuoz befinden sich zum Beispiel, für jeden zugänglich, seit 2005, der «SKYSPACE PIZ UTER» von James Turrell- vor dem Hotel Castell- oder eine Installation von Martin Kippenberger : «TRANSPORTABLER U-BAHN-EINGANG», von 1997, auf dem Golfplatz von Zuoz. Der früh verstorbene deutsche Künstler Martin Kippenberger (1953-1997) beschäftigte sich in seinen letzten vier Lebensjahren mit dem Metro-Net, einem imaginären, weltumspannenden U-Bahn-System.

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Er konzipierte Lüftungsschächte und U-Bahn-Eingänge für weit auseinanderliegende Orte auf verschiedenen Kontinenten; ein Tunnelnetz zwischen diesen Punkten fehlt. 1993 baute er einen U-Bahn-Eingang auf der griechischen Insel Syros, 1995 einen weiteren in Dawson City, Canada, und 1997 einen dritten in Leipzig. Der «TRANSPORTABLE U-BAHN-EINGANG», den Martin Kippenberger kurz vor seinem Tod als letzte Arbeit fertigstellte, gehört zu seinem Werkkomplex der «unsinnigen Bauvorhaben». Mit der Situierung dieses Werks zuerst in Madulain und dann in Zuoz ist das Engadin seit 2001 an das globale Verkehrs- und Kommunikationsnetz der künstlerischen Imagination angeschlossen.

Martin Kippenberger, «Transportabler U-bahn Eingang» 1997

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Kunst in den privaten Gärten der Chesa Büsin

Die Chesa Büsin, inmitten von Zuoz, beherbergt nicht nur eine wundersame Privatsammlung im Haus – sondern nun schon drei Werke in den Gärten. Seit 2019 kann man beim Stehenbleiben vor der Graubündner Kantonalbank einen Blick nach Links werfen und streifen lassen auf eine gewaltige, 3,19 Meter hohe, biomorphe, totemartige  Bronzeskulptur, die Nachts zum Teil leuchtet «Z BOKU», aus 2017:  

Ursula von Ryndingsvard ist eine Us-Amerikanische Künstlerin, eine der wichtigsten lebenden weiblichen Bildhauerinnen. Polnischer und Ukrainischer Eltern, ist sie zum Teil im von Deutschland besetzten Polen, zum Teil in Flüchtlingslagern in Deutschland aufgewachsen.

Von Ryndingsward erschafft überdimensionale organisch-anmutende abstrakte Skulpturen, die sie selbst aus dem Holz haut und anschliessend mit Graphite Patina einreibt und beendet.

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Ursula von Ryndingsvard, «Z BOKU» 2017

Im Hintergarten gesellt sich nun seit Ende März, zu einer subtilen Skulptur von Marc Quinn, eine zweite monumentale Skulptur (3,10 Meter hoch und 1000 Kg schwer), des Deutschen Georg Baselitz, einem der wichtigsten lebenden Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts überhaupt. Eine Strassensperre und ein Riesenkrahn waren von Nöten, um die 1 Tonne schwere Skulptur «YELLOW SONG», von 2013, auf ihren neuen Heimatpodest zu hieven und installieren. 

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Baselitz’s Bronze Skulptur

Typisch für Baselitz wurde auch «YELLOW SONG» zuerst in Holz gehauen und dann in Bronze gegossen. Wie Degas, Picasso, Matisse und Ernst, begann Baselitz ebenfalls zuerst als Maler, bevor er sich entschied «dieses Medium zu verlassen» zur Skulptur. Er wurde schon damit zitiert, dass er über Skulptur denkt: «es wäre ein kürzerer Prozess als das Malen» um manche Gedanken auszudrücken: «es ist primitiver, brutaler, und nicht so exklusiv, wie manchmal Malerei sein kann… weniger kryptisch… mehr direkt, mehr lesbar». Mit diesen Gedanken im Kopf erschafft Baselitz Skulpturen aus Holz, die er dann aus Bronze giesst, und in reflektierendes Matt Schwarz poliert.

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Baselitz wurde 1938 in Deutschbaselitz, Sachsen, geboren und war stets daran interessiert seine eigenen Reaktionen zum menschlichen Trauma zu portraitieren, mit besonderen Referenzen zur Deutschen Geschichte. Er wurde sehr stark von der Kunstbewegung «Art Brut» inspiriert, vom Schriftsteller Antonin Artaud, wie von Afrikanischen Skulpturen. Seine Arbeit wird in Europa dem Postmodernismus zugeschrieben, während in den USA seine Perspektiven dem Neo-Expressionismus zugeordnet werden.

«YELLOW SONG», als letzter neuer Einwohner von Zuoz erfreut sich darüber besucht zu werden, liebt aber die freundliche Distanz und das nicht Betreten seines Reiches (der Garten ist Privatgrundstück). Der Zaun ist jedoch angenehm tief, sodass «YELLOW SONG» sehr gut von der Strasse aus betrachtet werden kann. 

Georg Baselitz, «Yellow Song» 2013